Musiker bin ich immer und überall! Aber was heißt das nun?
Man kann es nicht abstellen (selbst wenn man wollte). Es ist kein Beruf sondern etwas was mich derartig prägt, daß es im Grunde so gut wie jeden Bereich einfärbt. Vielleicht geht es nur mir so, aber die Arbeit Geschichten durch anhand von Musik zu erzählen, Emotionen zu vermitteln, Klarheit in die Interpretation zu bringen, Nuancen auszureizen, einfach die Pedanterie in der Vorbereitung, die die Liebe zum Musikmachen mit sich gebracht hat und im Konzert alles zusammenkommen zu lassen – beeinflusst beinahe jedes Handeln. Es ist ein ständiges Zerren zwischen dem Drang etwas zu optimieren, fast ein Lauern auf Verbesserungsmöglichkeiten, und dem vollkommenen Loslassen, dem (im besten Falle) Genuß.
Musiker schätzen es enorm, wenn sich jemand ehrlich Mühe gibt. Natürlich tun das die meisten anderen Menschen auch. Aber Musiker stellen häufig fest, daß, je länger sie an einem Stück arbeiten und üben, die Arbeit daran ständig zunimmt. Jeder Fortschritt offenbart neue Aufgaben – es gibt kein Ende. Daher haben Leute wie ich möglicherweise ein intensiveres Verhältnis zum Thema Sorgfalt. Bedeutet dies ein Scheitern in Nebensächlichkeiten?
Ein Beispiel:
Die meisten Menschen würden von sich wahrscheinlich behaupten, nur sehr ungern ihre Steuererklärung zu machen. Sicher, es wird einfacher, wenn man diese Arbeit dem Steuerberater überlässt. Trotzdem kommt man nicht ganz daran vorbei, ein wenig vorzubereiten – der Steuerberater will es so – und da kommt der Musiker ins Spiel: Üblicherweise kramt man also seine Belege zusammen, ordnet eventuell ein wenig und nimmt später den vorwurfsvollen Blick des Steuerberaters schweigend hin. Ich hingegen ordne nichts! Würde ich damit anfangen, fände ich kein Ende, denn so gut, wie ich es gern geordnet haben würde, bekäme ich es nie hin.
Und nun?
Ich will es perfekt haben, weiß aber auch, daß, selbst wenn ich die Perfektion erreichte, mir das in diesem Fall kaum Erfüllung brächte. Also lass ich es bleiben – das vollkommene Loslassen, der beste Fall, der Genuß.
Es gibt nichts Schöneres, als Musiker zu sein!
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